rund & eckig

Mein Buch das hat vier Ecken. Aber nicht nur. In Zeiten, in denen das Runde in das Eckige muss, gibt es natürlich auch runde Bücher. Auch schräge, und schiefe, und krumme und wellige Bücher.

Und wer ist für die geratenen oder auch missratenen Bücher verantwortlich. Ja natürlich der Buchhersteller. Logo.

Aber am Ende der Kette, bevor die Bücher über die Auslieferung in der Buchhandlung liegen, am Ende der Produktionskette ist es der Buchbinder, den alle immer hetzen.

Er ist der letzte in der Reihe, manchmal der Torwart um alles zu retten, manchmal auch die Verteidigung um alles geradenoch hinzubiegen oder hinzubinden.

Und da die Buchbinder oft vergessen werden, wenn im Impressum nur «Gesamtherstellung» oder «printed in switzerland» steht, ist dies heute eine kleine Ode an die Buchbinderkunst.

Am Anfang ist es ganz klar: Der Autor schreibt ein Buch, der Verleger weiss genau wie es aussehen soll. Der Gestalter denkt sich etwas aus, die Buchherstellerin rechnet, prüft, bietet Varianten an.

Material für innen und aussen wird gesucht, gefunden. Muster werden gemacht, Papier wird bestellt. Einbandmaterial wird abgestimmt reserviert.

Es läuft normal schnell und geradeaus vom Manuskript zum Buch.

Aber dann kommt leichte Hektik auf. Die Vertreter ändern den Umschlag. Dadurch passt jetzt das Einbandmaterial nicht mehr dazu. Also etwas Neues suchen & finden. Dann schnell den Buchbinder fragen, ob das neue Material auch geht. Und weiter.

Natürlich gibt es einen schönen Terminplan. Der ändert sich auch immerwieder mal. Doch plötzlich schreibt der Autor nochmal um und die Luft, die die Herstellung still eingeplant hat, schwindet merklich.

Aber noch ist alles im Plan und der Buchbinder freut sich über den Auftrag.

Die Druckerei will drucken, merkt bei der Eingangskontrolle, dass das Papier in der falschen Laufrichtung angeliefert wurde und kriegt erst 3 Tage später neues Papier. Und das ist dann etwas dünner als das ursprünglich bestellte Papier. Der Drucker kann aber das neue Papier auch ganz gut bedrucken und druckt eifrig los und fertig. Die Herstellerin weiss von nix.

Ja und dann liefert die Druckerei alles dem Buchbinder ab und der (s.o.) strahlt dass die Ware pünktlich im Hause ist und er mit der Produktion loslegen kann.

Es kommt dann zu folgenden Szenen:

  • Der Mitarbeiter der Warenannahme bringt dem Buchbindermeister ein Muster der angelieferten Papierbogen.
  • Der sieht sich den Bogen an, merkt dass irgendwas mit dem Papier anders ist, verglichen mit dem vor 2 Monaten hergestellten Muster.
  • Er rennt bereits etwas genervt zum Sachbearbeiter, weil die Bogen am Nachmittag in die Falzmaschinen müssen.
  • Der Sachbearbeiter ruft die Buchherstellerin an und fragt was mit dem Papier los sei, das sei ja viel dünner als bemustert.
  • Die Buchherstellerin weiss ja von nix (s.o.), weil ihre Muster noch nicht auf ihrem Schreibtisch sind, und lässt den Buchbinder das Papier wiegen und messen.
  • Das Papier ist dünner, das Buch ist ein festgebundenes, d.h. die bereits fertig produzierten Buchdecken mit dem runden Rücken in schönem blauen Royal-Leinen sind zu gross. Müssen neu gefertigt werden. Auflage: hoch. Benötigte Zeit: viel.
  • Der Buchbinder ist etwas nervös, aber bleibt nach aussen am Telefon cool bis er die obligatorische Frage nach dem Termin stellt.
  • Und die Buchherstellerin antwortet: In 8 Tagen findet die Buchvernissage statt. Steht zwar nicht im Auftrag, aber inzwischen hat der Verlag das so beschlossen. Denn heute braucht es zu jedem Buch den event. Ohne event läuft gar nichts. Und da müssen die Bücher da sein.

Und nun fängt der Buchbinder – der letzte in der Kette (s.o.) – an die berühmten Purzelbäume zu machen. Einmal vorwärts, zweimal Rolle rückwärts, das Buch wenden, die Buchdecken verändern, die Maschinen neu einstellen, andere Aufträge verschieben, etwas erfinden, oder: einfach zaubern.

Fast immer gelingt es. Nicht gerade aus einem viereckigen ein rundes Buch zu binden. Aber fast.

Wenn Sie also in diesen torreichen Zeiten den Goali in seinem Kasten sehen, stellen Sie sich vor, dass er Bücher statt Bälle fängt.